A Priori | IX. Internationales Kunstsymposium

Vom 08.-18.08.2024 nahm ich zusammen mit 9 weiteren KünsterInnen in Leipzig am IX. Internationalen Kunstsymposium der GEDOK Mitteldeutschland auf dem Parkfriedhof Leipzig Plagwitz teil. Dort befindet sich die Freiluftgalerie „Alte Salzstraße“, welche direkt an der Via Regia gelegen ist. Ziel des seit 2015 jährlich stattfindenden Kunstsymposiums ist es, herauszufinden, wie Kunst im öffentlichen Raum zur Umgestaltung öffentlich zugänglicher Flächen wie der eines Friedhofs in Zeiten des Wandels von Bestattungsriten beiträglich sein kann. Das diesjährige Symposium lief unter dem Thema „a.time.line“

Mein Beitrag:

A Priori

 

Prolog

Ursprünglich als unregelmäßige Muster gedacht, die inspiriert durch die verschiedenen Eindrücke auf dem Friedhof improvisiert geklöppelt Fetzen der Erinnerung im Laufe der Zeit darstellen sollten, kristallisierte sich vor Ort schnell heraus, dass sich auch hier ein altbekanntes und immer wiederkehrendes Muster zeigte….

A priori

Die Weiblichkeit existiert nicht als eine Folge von Erfahrungen oder kulturellen Konstrukten, sondern ist in ihrem Wesen bereits a priori gegeben. Sie ist eine fundamentale Kategorie der menschlichen Existenz, die unabhängig von individuellen Erlebnissen oder gesellschaftlichen Normen besteht. In ihrer Ursprünglichkeit bedarf sie keiner empirischen Bestätigung; sie ist vielmehr eine vorgegebene, in der Struktur der Wirklichkeit verankerte Wahrheit, die das Sein durchdringt und prägt. Weiblichkeit ist nicht etwas, das erst durch Erfahrung erlernt oder entdeckt wird, sondern eine bereits vor aller Erfahrung existierende Realität.

Trotz der Tatsache, dass Weiblichkeit a priori existiert, zeigt die Geschichte immer wieder, dass diese tief verankerte Wahrheit in manchen Kontexten erst nachträglich, also a posteriori, durch Erfahrungen und Erkenntnisse wiederentdeckt wird. Besonders in der Kunstgeschichte sehen wir, wie Frauen als Schöpferinnen oft erst im Rückblick als solche (wieder) erkannt und gewürdigt werden. Es ist, als müsse die Welt erneut die Erfahrung machen, dass Weiblichkeit nicht etwas ist, das erlangt oder errungen werden muss, sondern eine ursprüngliche und immerwährende Präsenz hat.

Leider geht auch die Erkenntnis, die Weiblichkeit a posteriori zu entdecken und zu würdigen, in der zeitgeschichtlichen Betrachtung immer mal wieder verloren. Epochen des Vergessens und der Ignoranz verdecken das Wissen um die tief verwurzelte Kraft der Weiblichkeit. Doch selbst wenn die Bereitschaft, diese Existenz in ihrer vollen Stärke wahrzunehmen, schwindet (rot), bleibt die Weiblichkeit und ihre Macht ungebrochen (weiß). Sie ist unabhängig von äußeren Wahrnehmungen und Anerkennungen, denn ihre Existenz ist a priori und somit unauslöschlich in der Struktur des Seins verankert. Ihre Kraft besteht auch dann, wenn sie nicht gesehen (werden will) oder verstanden wird.

Exkurs: Kreuzstich

Die auf den Tüchern verewigten Buchstaben „A PRIORI“ verbinden die stille Kraft der Weiblichkeit mit der Tradition des verborgenen Schaffens. Inspiriert von den nahezu unsichtbar gewordenen Diakonissengräbern auf dem Friedhof verbinden sich hier Kreuzstich und Klöppelarbeit zu einer Hommage an jene Frauen, deren Werke oft im Verborgenen blieben, wie beim Sticken in stillen Klostermauern, die Fürsorge durch die Hände der Diakonissen oder noch immer aktuell die (Care) Arbeit von Frauen in unzähligen Situationen.

7 geklöppelte Vulven
7 geklöppelte und bestickte Tücher

Material: Polypropylen, Baumwolle
Technik: freies, intuitives Klöppeln, Stickerei

IX. Internationales Kunstsymposium GEDOK Mitteldeutschland e.V. 08.-18.08.2024

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Zu sehen in der Freiluftgalerie„Alte Salzstraße“ an der Via Regia auf dem Parkfriedhof Leipzig Plagwitz mindestens bis 2025 – direkt hinter der Spinnerei Leipzig gelegen